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11.12.06 Weihnachten - Neujahr

Der Tag, an dem die Sonne zurückkehrt

Zu vereinfacht ist die Vorstellung davon, dass Belarus das Feiern der Weihnachten erst neulich aus Westeuropa und Amerika zusammen mit MacDonalds und Santa Claus übernommen hat. Die Mode ist tatsächlich eine sehr einflussreiche Frau. Sogar die Chinesen scheuen europäischen Einfluss nicht, und der weißbärtige Heilige Nikolaus wurde beinahe gewöhnlich im dunkelhäutigen China.

Aber die Belarussen haben fremde Traditionen durchaus nicht übernommen. Weihnachten haben sie von alters her gefeiert. Es gibt auch Lieder über den Heiligen Nikolaus, der zum weltlichen Weihnachtsmann wurde. Er wurde auch “Süsja” genannt: So hieß der Neujahrsgott, denn Süsja bedeutet eigentlich Kälte, Frost. Alles ist einfach zu erklären: durch historisch bedingte Kollisionen verwandelte sich das Weihnachtsfest in ein “geheimes”, ausschließlich häusliches Ritual.

Jetzt können Gefühle frei geäußert werden. Dazu noch ist das Weihnachten in Belarus ein zweifach angenehmes Fest. Historisch hat es sich so gefügt, dass in unserem orthodox-katholischen Lande dieses Fest zweimal gefeiert wird: am 25.Dezember und am 7.Januar. Außerdem werden Gläser zweimal auch für das Neujahr erhoben: am 1.Januar und am 14.Januar — nach dem julianischen Kalender, dem bis jetzt orthodoxe Menschen treu bleiben.


Kaliady — so heißt dieses Fest im Volk. Was bedeutet Kaliady und woher dieses Wort stammt, weiß heute niemand genau. Es besteht aber eine alte und gute Tradition.

Das Weihnachten und Kaliady ergänzen einander. Sie fallen zeitlich zusammen, aber es besteht dazwischen keine Rivalität. Sie teilen friedlich diese Feiersaison in gleiche “Teile”.

In der Nacht auf Weihnachten oder am frühen Morgen pflegt man, eine katholische oder orthodoxe Kirche zu besuchen. Anwesenheit beim Gottesdienst ist keine Verpflichtungserfüllung, sondern Herzensruf. Hier kann man wenigstens keine Menschen sehen, die ins Gotteshaus wie zum “Appell” gehen.

Niemand wird hierher getrieben. Neben den Kathedralen und provinziellen Heiligtümern gibt es aber so viele Gläubige, dass man sich einfach wundert, wie viele Menschen an Gescheites, Gutes, Ewiges glauben, das in diesen Wänden gepredigt wird. Und es irren sich diejenigen, die unter dem altertümlichen Gewölbe nur Omas und neugierige Touristen zu sehen glauben. Die Hauptmasse der Besucher sowohl in der Hauptstadt Minsk als auch in der Provinz ist überaus nicht die ältere Generation. Immer mehr Jugendliche kommen hierher. Die Jugend nimmt dieses Fest nach eigener Art wahr.

Im Kirchenbesuch werden nicht nur eigene religiöse Gefühle geäußert, sondern auch die Teilnahe am Leben der Gemeinschaft, wo man lebt. Im Zentrum von Minsk, wo die Obere Altstadt liegt, ist es unmöglich, an der Kirche vorbeizugehen. Hier stehen einige orthodoxe und katholische Kirchen, und jede ist einige Jahrhunderte alt. Dieser Minsker Ort ist heilig.

Am Abend, wenn zur ersten Reisspeise (weissruss. "Kutja") alle nächsten Verwandten kommen und auf dem Tisch rituelle Gerichte erscheinen, verrichtet man ein Gebet, gedenkt der Gestorbenen.

Alles ist sehr einfach.

Die Kinder gehen dann spazieren und Schneeballschlacht machen. Und die Erwachsenen schalten den Fernseher ein. Das wird schon etwas aus der neuen Epoche. Aus dem einfachen Leben. Aber die feierliche Atmosphäre wird noch lange im Haus schweben - mit den Erinnerungen daran, wie wunderbar die Zeit mit den Nächsten verbracht wurde, wie besonders schmackhaft festliche Gerichte waren, die gemeinsam zubereitet wurden.

Jemand von den Älteren hat aus dem Dorf einen Kuchen mit Mohn mitgebracht. Dieser Mohn wurde in einem altertümlichen Mörser aus den Vorkriegszeiten zerstoßen. Außerdem sind auch Palendwiza (=gedörrte Schweinelende), Gans auf dem Tisch. Der Opa hat das Wichtigste nicht vergessen: Moosbeerenbranntwein, der aus eigenen — nicht im Geschäft gekauften, sondern im Heimwald gesammelten — Beeren zubereitet wurde. Und in der gewöhnlichen städtischen Wohnung kann man dann den Geruch des Waldes, der Erde spüren, es weht die Heimat — eben diejenige dörfliche Heimat, die Verbindung mit der wir in der Stadt verloren haben.


Die Feier dauert unterdessen fort. Und es gibt noch viele Anlässe, am Wochenende aufs Land, ins Grüne zu fahren. Kaliady ist kein momentanes Fest. Es ist eine wichtige Etappe im Jahr, wenn wir uns vom vorigen Leben verabschieden und das neue Leben begrüßen, wenn wir natürlich nur aufs Beste hoffen, wenn wir nur an irgendwelches besonderes Ereignis glauben, dass das Leben zur Sonne, zum Frühling wendet. Und der Frühling ist nicht allzufern. Denn nach dem Weihnachten, Kaliady wird der Tag länger, und im Leben gibt es mehr Licht und Freude.

Um diese Gefühle zu verschärfen, kann man sich an alte Bräuche erinnern.

Damit haben die Menschen der Erde und dem Himmel für den Erfolg gedankt und um neue Güter gebeten.

Aufs Weihnachten selbst fiel die erste oder große Reisspeise. Früher aß man zu Abend nur Fastenspeisen, die aber ausgezeichnet waren. Hering, Vereschtschaka aus diesem Hering mit Zwiebeln, Plinsen, Gerichte mit Pilzen, Kompott, Haferschleim — überhaupt alles Gesunde und Schmackhafte, wenn auch “Bescheidene”. Obwohl man mit diesen Speisen kaum hungrig bleiben kann. Reisspeise — Brei mit Honig und Mohn — wurde fürs Ende des Mahls gelassen. In vielen Orten von Belarus verlegten sich die Frauen auf dem Zubereiten, wobei sie in rituelle Speisen Nüsse, Rosinen zugaben.

Früher war das Neujahr nur die Fortsetzung der Kaliady — die zweite Reisspeise. Auf dem Tisch konnte man an jenem Tag viel Fleisch sehen — gedörrt, geräuchert, gekocht, gebraten. Wegen dieses Reichtums nannte man den Neujahrabend freigebig, fleischig, fett, dick oder reich. Und die Reisspeise selbst wurde mit Butter und Honig zugerichtet. Außer den Spielen, Speisen, Liedern und Reigen waren auch verschiedene Wahrsagen sehr populär.

Die dritte Reisspeise wurde vor dem orthodoxen Weihnachten gefeiert und Fastenreisspeise genannt. An jenem Tage lud man zum Abendessen den Frost ein. Alle setzten sich an den Tisch, jeder versuchte, dem Frost zuliebe zu tun, damit der Winder nicht kalt, der Frühling warm und die Ernte reich war. Wenn das Wetter am nächsten Tag wärmer wurde, so glaubte man, dass es dem Frost zu Gast gefallen hat.

Das Feiern der Kaliady endete ungefähr nach dem 20. Januar.

In den Städten verschwanden aus den Schaufenstern bunte Girlanden und mit Spielzeugen und Laternen geschmückte künstliche grüne und silberne Weihnachtsbäume. Immer seltener konnte man auf Weihnachtsausverkäufe in Boutiquen und Supermärkten stoßen. An den Schwellen der Kirchen wurden die Menschen vom Säugling Jesus nicht mehr empfangen…

Es verging das Fest. Aber die Erinnerungen daran blieben bis zum nächsten Weihnachten und Neujahr. Und gute Stimmung, die in der Mitte des Winters kam, wärmte uns bis zum Trauwetter.

 


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